Buchrezension – Funktionelle Histologie (Thieme)
Ich weiß nicht, wie es in anderen Unis ist, aber in Linz (Medizinstudium) bekommen wir Skripte. Formal sind alle prüfungsrelevanten Informationen darin enthalten. Daher sollte man diese zusammen mit den online bereitgestellten Bildern verinnerlichen. Da mir jedoch das bloße Lernen aus Skripten manchmal zu eintönig ist und Stichpunkte oft keine ausreichenden Erklärungen bieten, lese ich auch gerne mal den ein oder anderen Text in den gängigen Portalen oder Büchern. Letztes Jahr habe ich mir das Buch „Funktionelle Histologie“ gekauft. Hier kommt meine Buchrezension:
Aufbau
Das knapp 40 Euro teure E-Book „Funktionelle Histologie“ von Elke Lütjen Drecoll ist ein auf die Vorklinik ausgerichtetes Histologiebuch. Es ist ähnlich wie die Histo-Praktika in 17 verschiedene Organsysteme gegliedert (Epithelien, Bindegewebe, … Respirationstrakt, Pankreas und Leber usw.). Mit prägnanten Erklärungstexten, rund 500 Bildern und 600 mikroskopischen Aufnahmen – darunter viele histologische Schnitte sowie einige elektronenmikroskopische Bilder – werden der räumliche Aufbau und die physiologischen Prozesse anschaulich dargestellt und gut erklärt. Im Text wird häufig erläutert, warum bestimmte Strukturen und Prozesse so sind, wie sie sind. Auch wenn das für die Prüfung nicht unbedingt notwendig ist, fördert es das Verständnis und man kann es sich leichter merken. Das Buch ist so gestaltet, dass auf jeder Doppelseite links die Bilder und rechts der Erklärungstext zu finden sind. Einige Stichwörter im Text sind verlinkt, sodass beim Darüberfahren mit der Maus im Bild das passende Objekt grün aufleuchtet. Abschließend enthält jedes Kapitel Hinweise zur Klinik, die in einem Modellstudiengang wie in Linz auch in der Vorklinik gelegentlich in Prüfungen auftauchen können.
Vorteile
Positiv finde ich, dass bei den Erklärungen der Fokus aufs Verständnis gelegt wird. Durch leicht verständliche Erklärtexte versteht man besser, warum etwas so ist. Das wird zwar oft nicht direkt geprüft, aber wenn man mal verstanden hat, welchen Vorteil das in der Evolution hatte bzw. welchen Vorteil für den Körper, erkennt man die immer wieder faszinierende Logik dahinter und kann es sich besser merken. Das ist für mich deutlich einfacher als das bloße Auswendiglernen von zusammenhangslosen Fakten (bzw. Stichpunkten in den Skripten), die ich auch mit den besten Gedächtnistricks, Merkbildern etc. nicht lange im Kopf behalten kann.
Das Layout ist so gestaltet, dass der Text optische Hervorhebungen (Fettschrift) und Verlinkungen enthält, d.h. wenn man mit der Maus oder dem Tabletstift drüber fährt, leuchtet die Struktur in der nebenstehenden Abbildung auf. Auch das ist erleichtert das Verständnis, weil man die Erklärung den Abbildungen zuordnen kann. Zudem bekommt man Übung im Wiedererkennen von Strukturen und Histo ist teilweise einfach Übungssache. Dazu tragen auch die zahlreichen Licht- und Elektronenmikroskop-Abbildungen bei. Das sind zwar andere als die jku-Bilder, aber man bekommt trotzdem ein besseres Gespür und Verständnis dafür, sodass man es dann auch auf den vorgegebenen Bildern besser erkennt.
Toll ist auch, dass es eine klare Struktur hat, die sich durch das ganze Buch durchzieht: Auf jeder Doppelseite sind links Bilder, rechts Erklärtungstext mit Verlinkungen. Dadurch bekommt man eine gute Routine, wenn man das Buch durcharbeitet. Übers Inhaltsverzeichnis kann man zu verschiedenen Kapiteln navigieren. Die Hinweise zur Klinik runden das ganze ab. Teils kommt es ja auch schon im Stoff vor, teils ist es einfach fürs Verständnis interessant und motivierend.
Angenehm ist auch, dass es tatsächlich ein E-Book ist, d.h. es ist nach einer Einmalzahlung zeitlich unbegrenzt nutzbar, ohne Ablaufdatum, ohne Abo.
Neutral
Das Buch gibt es NUR als E-Book, nicht als pdf-Datei, nicht als normales Buch. Das ist Fluch und Segen zu gleich. Es ist insoweit praktisch, als nicht noch ein Wälzer im eh schon überfüllten Bücherregal untergebracht werden muss. Ein Tablet dabeizuhaben genügt und man kann es überall lesen. Daneben ist es auch notwendig, damit die Verlinkungen überhaupt funktionieren. Der Nachteil: Es gibt zig Studien, die zeigen, dass das Gehirn beim Lesen von papierhaften Lernunterlagen schneller mehr Informationen speichert und besser verknüpft (und bei Kindern: ihre Entwicklung schneller voranschreitet). Ob es der Elektrosmog, die Ablenkung oder etwas anderes ist? Vielleicht eine Mischung aus allem. Jedenfalls lerne auch ich viel effektiver mit Stift und Papier. Daher würde ich manchmal gerne ein Kapitel ausdrucken und auf Papier lesen, auch wenn ich dann auf die Verlinkung verzichten muss. Der Verlag tut aber leider alles, dass das nicht möglich ist, sodass ich dann doch lieber auf papierhafte Alternativen zurückgreife oder die ausgedruckten Skripten durchgehe. Schön wäre, wenn beides möglich wäre. Es gibt aber vielleicht auch Leute, denen es egal ist oder die gerne mit E-Books lernen – daher stufe ich diesen Umstand als „Neutral“ ein.
Nachteile
- keine Suchfunktion (!!!)
- Layout
- Fließtext, keine Zwischenüberschriften
- markierte Strukturen sind teilweise schwer erkennbar (schwarz-dunkelgrün ist kein Kontrast)
- Bestellung und Nutzung:
- komplizierter Bestellprozess, Kundenservice war nicht hilfreich
- nicht in der von der jku lizensierten eref-Bibliothek enthalten, muss extra bezahlt werden
- kein pdf Download, keine offline-Nutzung möglich
- nur in eine speziellen Portal lesbar, komplizierte Navigation, kein responsive Design
- zu häufiger Logout, unnötige, lästige Lizenzkontrollen
- Inhalt
- breiter Überblick, aber teilweise zu oberflächlich
- die jku hat einen Modellstudiengang, d.h. anderer Aufbau und teilweise andere Inhalte als an anderen Unis je nach Interessen der Dozenten → spiegelt das Buch nicht wider und mangels Suchfunktion auch nur bedingt begleitend zur LV nutzbar
- ein Überblick über Basisthemen, aber z.B. nichts zu Färbungen oder Funktionsweise eines Mikroskops etc.
Fazit: Das innovative, rein digitale Buch ist eine tolle Lernhilfe als Ergänzung zu den Skripten, wenn man bestimmte Themen besser verstehen, wiederholen oder nachschlagen sowie das Erkennen von Strukturen in Histo-Bildern üben möchte und ist für die gesamte Vorklinik geeignet. Technisch gibt es aber leider viele Schwachstellen, die den Zugang erschweren. Insbesondere die fehlende Suchfunktion ist ein großes Manko. Trotzdem nutze ich es hin und wieder wegen der guten Erklärungen und der mit dem Text verlinkten Bilder gerne.
Positiv | Negativ | Neutral |
---|---|---|
Innovativ | Keine Suchfunktion | Rein digital erhältlich |
Mit Bildern verlinkte Erklärtexte | Keine Unterpunkte im Inhaltsverzeichnis | Nur im Thieme Portal aufrufbar, kein Download |
Fokus liegt auf Verständnis, Texte leicht verständlich | Bestellung und Portal nicht nutzerfreundlich | |
Klar strukturierte Doppelseiten | Hervorhebung in den Bildern teilweise schwer erkennbar | |
Einmalkauf, kein Abo | Inhaltlich recht eng gefasst |
Bildquelle: Every1blowz, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons
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