Medizinstudium in Linz – pro & contra

Nachdem ich von einer Medat-Kandidatin gefragt worden bin, was die Pros und Contras des Linzer Medizinstudiums sind, hier eine kleine Übersicht (über meine subjektiven Eindrücke):

Vorteile:

  • Konkurrenz / Quotenregelung beim MedAT: Früher war es wegen der geringeren TeilnehmerInnen-Zahl noch vorteilhaft, es in Linz zu probieren. Mittlerweile hat sich das fast nivelliert. Es kann aber noch das entscheidende Quentchen ausmachen.
  • relativ modern (Ausstattung & inhaltlich)
  • übersichtlich, d.h. man kennt schnell die meisten Leute und kann sich kaum verlaufen
  • Atmosphäre: Diesen Punkt kann ich mangels Vergleich nicht wirklich beurteilen. Ich habe aber schon oft gehört, dass das Klima verglichen mit anderen Medizin-Unis gut sein soll
  • Lage: man ist in überschaubarer Zeit in Salzburg, Wien, Bayern…

Nachteile:

  • Medat-Testort ≠ Studienort. Du kannst genauso gut nach Graz kommen. Wenn du vorab an den künftigen Studienort ziehen möchtest, nicht in Graz wohnen möchtest oder den Wechsel scheust (ist eine Zusatzbelastung) ist Linz nicht optimal.
  • Der für mich größte Minuspunkt: Organisations- und Kommunikationsprobleme. Die Organisation der Lehre übernimmt das ZML (Zentrum für medizinisch Lehre) bzw. sollte es. Die Abteilung sollte auch der erste Ansprechpartner für StudentInnen sein. Funktioniert nur leider so schlecht wie Planwirtschaft. Man wird wie im Schichtdienst irgendwo zugeteilt und teilweise kurzfristig informiert, d.h. es ist sehr fremdbestimmt und nur mit einem Job vereinbar, bei dem man die Arbeitszeiten frei wählen und kurzfristig ändern kann. Wahlfächer kann man fast nur am Medcampus machen, alles andere wird terminlich schwierig (und aufgrund der räumlichen Entfernung zum Hauptcampus). Dazu kommt, dass die Organisation nicht wirklich funktioniert. Es geht drunter und drüber, Mails werden nicht beantwortet, Anliegen nicht bearbeitet, organisatorische Fragen gar nicht oder falsch beantwortet, Zusagen werden nicht eingehalten, Formulare, die man einreichen sollte, sind unauffindbar, falsche Terminangaben, zu spät oder gar nicht zu Verfügung gestellte Aufzeichnungen und Skripte und, und, und… Mir wurde von einer ZML Mitarbeiterin gesagt, dass es unter anderem daran liegt, dass jede/r MitarbeiterIn das bearbeitet, wofür er/sie sich gerade zuständig fühlt – keine Prioritätenliste, keine Absprache, kein Ticketsystem… Man kann diese Abteilung auch nicht kontaktieren, denn auf Mails wird nicht reagiert, wenn man anruft, landet man entweder beim falschen Ansprechpartner oder es hebt gar keiner ab und Sprechstunde gibt’s keine. Auch die DozentInnen haben dadurch keine Orientierung und wenn sie bei organisatorischen Fragen oder Anliegen aufs ZML verweisen, weiß man, man kann es vergessen. Qualitätssicherung, Service-Management? Scheint maximal pro forma existent, wenn überhaupt. Würde sich das ZML nicht so in den Mittelpunkt drängen und alles blockieren, mehr Selbstorganisation zulassen (oder sich einfach selbst organisieren und seine Arbeit ordentlich erledigen!), wäre das kein so großes Problem, aber so ist es sehr oft sehr lästig und erschwert das Lernen. Ob es an anderen medizinischen Universität besser läuft, kann ich nicht beurteilen. Aber dafür, dass es eine eigene Abteilung gibt, die nur für die Organisation und Kommunikation zuständig ist, läuft es wirklich sehr schlecht und ist sehr nervig. Andere Fachbereiche haben diesen Luxus nicht und ich kann aus Erfahrung sagen: Da ist auch nicht alles toll, aber es funktioniert wesentlich besser!
  • Lernen wie am Fließband: Das Studium wurde (einem Gerücht nach auch auf Bestreben der ÖH) so organisiert, dass man ein Modul nach dem anderen hat (mit schriftlichen Prüfungen und praktischen Übungen) und am Ende eine mündliche Semesterabschlussprüfung (SAP). Klingt in der Theorie gut. Nur: Wenn man aus irgend einem Grund nicht mitkommt, hat man ein Problem. Man wird sofort im Programm weitergeschoben und muss zusätzlich die verpassten LV nachholen, sodass man noch schlechter mitkommt. Pause? Nicht möglich. Lernen im eigenen Tempo? Nicht möglich. Krank? Problematisch. Nebenjob (notwendig um den Lebensunterhalt zu verdienen!)? Nicht erwünscht. Anderer Studiengang parallel? Nicht erwünscht. Private Verpflichtungen / Familie? Nicht erwünscht. Der Wunsch sich intensiver mit einem Thema zu befassen? Nicht erwünscht. Egal aus welchem Grund, es kann jedem passieren. Hierzu gibt es weder eine Lösung noch ein Angebot. Individualität ist nicht vorgesehen und nicht erwünscht. Inwiefern das an anderen Unis anders ist, weiß ich nicht.
  • Anbindung: Die Lage von Linz ist scheinbar gut. Hilft einem aber nichts, wenn die Autobahn an der Grenze endet oder die überschaubare Anzahl an Flüge nicht dorthin gehen, wo man hinfliegen möchte. Gleiches bei den Zugverbindungen. Trotz der räumlichen Nähe ist Linz deshalb nur schwer zu erreichen und zu verlassen.

Nur individuell zu bewerten:

  • Qualität der Lehre: Na ja. Vieles ist modern ausgestattet, die Inhalte am Puls der Zeit. Die meisten DozentInnen bemühen sich subjektiv auch und versuchen es im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut zu organisieren. Das macht aber noch lange keine gute Organisation und keinen guten Unterricht. Das Studium einerseits zu verschulen (bzgl. Organisation und didaktischer LV- Gestaltung), erwachsene StudentInnen zu erziehen versuchen und andererseits didaktisch im besten Fall mittelmäßig, oft einfach schlecht zu unterrichten passt nicht wirklich zusammen. Da gäbe es viel Luft nach oben. Das Organisationschaos kommt erschwerend dazu. Man kann es abtun als – ist eben unitypisch. Dann erwarte ich aber auch eine untypische Organisation. Und ich hab es bei einzelnen DozentInnen an anderen Universitäten auch schon um Längen besser erlebt. Man braucht viel Begeisterungsfähigkeit, um das Studium trotzdem durchzuziehen. Wer Vorwissen hat und sich für alles begeistern kann hat es leichter. Warum ich das hierhin packe und nicht unter Nachteile: Ich kenne niemand, der es gut findet. Aber es gibt Leute, die kommen trotzdem gut damit zurecht. Andere wiederum verzweifeln daran. Inwiefern dich das stört und sich das von anderen Unis unterscheidet, kann ich in Bezug aufs Medizinstudium nicht sagen.
  • Die Stadt: Jeder Studienort hat seinen Flair. Wien ist die einzige österreichische Großstadt und einfach anders. Graz hat ein mediterranes Flair. Innsbruck die Berge. Salzburg Historie. Und Linz ist eine moderne, chaotische Industriestadt mit schöner Altstadt, deren Charme man erst auf den zweiten Blick erkennt. Die Mieten sind nicht günstig, aber überschaubar. Kriminalität ist vorhanden, aber hält sich in Grenzen. Wo’s dich am meisten hinzieht, musst du selbst wissen.
  • Digitale Lehre: Die Lehre ist (um es modern zu gestalten und aus Platzmangel) sehr digital – mehr als in vielen anderen Studiengängen / Unis. Der Vorteil? Du brauchst eigentlich nur ein Tablet. Dort kannst du mitschreiben, diverse Apps nutzen, hast deine Bücher und eigentlich alles was du brauchst. Der Nachteil? Auch wenn ich eine Zeit lang in der IT-Branche gearbeitet habe – ich persönlich lerne sehr gerne und viel effektiver analog. Ohne Tablet, Laptop, Smartphone. Mein Schreibblock und Füller, meine papierhaften Karteikarten und mein Drucker sind mir heilig. Das wird einem dort aber fast unmöglich gemacht. Für mich persönlich ist das ein sehr großer Minuspunkt. Es gibt aber auch Leute, die das super finden, die auf digitale Skripten, Apps, virtuelle Karteikarten und e-books schwören. Muss also jeder für sich wissen, welcher Lerntyp man ist und ob das ein Vor- oder Nachteil ist.
  • Österreichisches (Studien-)Recht: Studieren in Österreich hat rechtliche Vor- und Nachteile. Weil sich das im Einzelfall sehr unterschiedlich auswirken kann, gehe ich hier nicht näher darauf ein. Es kann aber Sinn machen, sich da gut zu informieren und sorgfältig für sich abzuwägen, was am besten zu einem passt. :)

Fazit: Die medizinische Fakultät ist wie die Stadt: chaotisch, klein, jung, modern, digital und abgekoppelt vom Umfeld.Wer örtlich, zeitlich und inhaltlich flexibel ist, idealerweise auch am Studienort wohnt, gerne digital lernt und sich von nichts aus der Ruhe bringen und die Laune verderben lässt, kommt in Linz wahrscheinlich gut zurecht. Wie mit Smartphone, Laptop und Tablet auf Kriegsfuß steht und zusätzlich andere Verpflichten oder Interessen hat, sollte es sich noch mal gut durch den Kopf gehen lassen.

Ich hoffe, das hilft dir bei der Entscheidung weiter. :)

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